St. Galler Tagblatt vom 20.02.2014

Harry Potter, hilf!

Toll ist sie, so eine Trompete mit so einem Trompeter (Bernhard Diehl). (Bild: pd/Tine Edel)

 

Manege frei für fünf Tonartisten: Am kommenden Sonntag steht das Familienkonzert in der Tonhalle St. Gallen nochmals im Zeichen von Zauberei und Zirkus. Eine witzige Clownnummer erwartet die Kinder – mit und ohne Blech.

 

BETTINA KUGLER

Schön blöd: Da soll doch der dumme August das hochverehrte Publikum mit einem lustigen Tanz zum Lachen bringen. Stattdessen macht er ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter, zieht schniefend ein mehrere Meter langes Taschentuch aus dem Hosensack. Ist doch seine Zaubertrompete spurlos verschwunden! Das heisst zum Glück nicht, dass nun die Vorstellung platzt und alle Kinder nach Hause geschickt werden. Im Gegenteil, es geht in diesem Moment erst richtig turbulent los mit dem «Zirkus Ottoni» in der Tonhalle.

Wo ist die Trompete?

Mehrere hundert Schulkinder aus St. Gallen und Umgebung können das mit Händen und Füssen bestätigen: Sie haben das Konzert schon vorige Woche gehört und miterlebt. Haben den Atem angehalten, auch wenn die Seiltänzerin höchstens für Hellseher unter der Kuppel balanciert und die wilden Pferde musikalisch so viel Staub aufwirbeln, dass man sie nicht mehr sehen kann. Sie haben mitgeholfen, die verschwundene Trompete zu suchen. Und haben stellvertretend für den traurigen Clown die Tanznummer übernommen. Bravi!

Der Zirkusdirektor in Frack und Zylinder ist, wie sollte es anders sein, Tubist und Musikvermittler Karl Schimke vom Sinfonieorchester St. Gallen. Seine fahrende Familie nennt sich Quintetto Inflagranti, zu deutsch «auf frischer Tat» – und frisch geht es tatsächlich auch zur Sache. Für einmal tritt die Pädagogik in den Hintergrund. Was zählt, ist die reine, ansteckende Freude an Musik, die in den Zirkus passt: eine bunte Mischung zwischen E und U, knackig und mit Elan gespielt. Nicht einmal angesagt werden die Stücke; der pädagogische Zeigestock passt nun einmal nicht so gut zu einem Zirkusdirektor. Und die Peitsche? Braucht es auch nicht.

Obwohl es nicht nach Sägemehl duftet im Saal, kommt sofort gute Stimmung auf, wenn die fünf mit einem zünftigen Marsch einziehen und dienstbeflissen immer dann einen Tusch blasen, wenn vom «Zirkus Ottoni» die Rede ist. Bis die vermisste Trompete wieder da ist, bleibt kein Auge trocken. So viel sei verraten: Ein kniffliger Zaubertrick wird dazu nötig sein. Und der kommt vom weltberühmten Zauberlehrling Harry Potter höchstpersönlich.

Zirkus auch für die Grossen?

Die Auswahl zündender Stücke für Blechbläser reicht von der Renaissance eines William Byrd bis zur Kinomusik der Gegenwart – dazwischen aber spielen Basil Hubatka, Bernhard Diehl, Heiner Wanner, Niki Wüthrich und Karl Schimke ausgiebig und mit Lust Zirkus. Weil man Kindern ab sechs nicht so schnell etwas vormachen kann, legen sich die fünf Musiker artistisch wie schauspielerisch richtig ins Zeug.

Schade, dass das in Abo-Konzerten für die Grossen nicht ebenfalls im Preis inbegriffen ist!

 

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